Kunststoffrecycling in Deutschland

Kunststoffrecycling in Deutschland

Kunststoffe haben einen hohen Stellenwert in unserer modernen Gesellschaft. Sie sind in allen Bereichen des Lebens präsent und bilden eine wichtige Stütze für Industrie und Wirtschaft. Gleichzeitig stellen Kunststoffe aber auch eine immer größere Belastung für unsere Umwelt dar, wenn sie nicht ordnungsgemäß entsorgt werden. Beispielsweise werden jährlich knapp 42 Tonnen Plastikmüll über die Elbe in die Nordsee gespült (The Ocean Cleanup Technologies B.V.). Aufgrund ihrer schlechten biologischen Abbaubarkeit bleiben die Kunststoffe dort für lange Zeit erhalten und belasten Fische, Umweltmedien und gelangen als “Mikroplastikpartikel“ über die Nahrungskette auch zum Menschen.

Die „hochwertige“ Verwertung von Kunststoffabfällen ist in Deutschland durch gesetzliche Vorgaben wie beispielsweise das Verpackungsgesetz (VerpackG) und das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) festgeschrieben.

In Deutschland werden aktuell rund 53% der anfallenden Kunststoffabfälle energetisch verwertet (Lindner et al. 2020). Das bedeutet, Kunststoffabfälle werden als Ersatzbrennstoffe für die Zementproduktion verwendet oder sie werden als Energiequelle in Müllverbrennungsanlagen eingesetzt. Durch die energetische Verwertung wird zum einen Kohlendioxid ausgestoßen und zum anderen müssen die bei der Verbrennung entstehenden Abgase gefiltert werden. (Heinrich-Böll-Stiftung und BUND 2020) Die Filterstäube werden in der Regel deponiert oder aufbereitet. Folglich verursacht die Herstellung, sowie die energetische Verwertung von Kunststoffen weitere Abfälle sowie die Emission von Treibhausgasen. Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur IEA wird die Herstellung von Kunststoffen und anderen petrochemischen Produkten bis 2050 die Hälfte des Wachstums der globalen Ölnachfrage ausmachen. Gleichzeitig wird geschätzt, dass die jährliche Produktionsmenge von Kunstoffen von heute etwa 400 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2050 um das Vierfache zunehmen. (Heinrich-Böll-Stiftung und BUND 2020, S. 26) In Deutschland hat die Kunststoffbranche 2017 einen Anteil am gesamten Energieverbrauch in Höhe von 2,2 Prozent bzw. 3,3 Prozent am Energieverbrauch der verarbeitenden Industrie (Deutsche Energie-Agentur GmbH).

Abbildung 1 mittleres Einsparpotential von CO2 Äquivalenten pro Tonne produziertem Kunststoff

Tabelle 1 verarbeitete Kunststoffmenge in Deutschland im Jahr 2019 [1000t] (Lindner et al. 2020, S. 17)
Kunststoffsorte verarbeitete Menge in DE (2019) in 1000t
PET 957
PE-HD 1831
PVC 1820
PE-LD 2112
PP 2406
PS 417

Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens, einer globalen Temperaturerhöhung von 1,5 Grad Celsius zum Jahr 2050 zu erreichen, ist es wichtig, die Möglichkeit des stofflichen und energetischen Recyclings von Kunststoffen voll auszuschöpfen, um die Emissionen und Umwelteinwirkungen zu reduzieren und natürliche Ressourcen zu schonen. Wie hoch die Einsparpotentiale an Treibhausgasen durch Recycling sind, wird in einem Vergleich mehrerer Studien deutlich. (Environmental Protection Agency USA 2020; Franklin Associates; Hillman et al.; Mendes Campolina et al.; Turner et al. 2015) Die Zahlen in Abbildung 1 zeigen das durchschnittliche Einsparpotential für verschiedene Kunststoffsorten, welches als Mittelwert aus den Ergebnissen der Studien gebildet wurde. Multipliziert man die Mittelwerte mit der Menge der im Jahr 2019 in Deutschland verarbeiteten Kunststoffsorten (s. Tabelle 1) ergeben sich die möglichen Einsparpotentiale (s. Abbildung 2) an Treibhausgasen für Deutschland unter der Annahme, dass 100 % Rezyklate zurückgewonnen werden.

Abbildung 2 gesamtes Einsparpotential von CO2 Äquivalenten pro Jahr in Deutschland

Bei einem Rezyklateinsatz von 13,7 Prozent im Jahr 2019 für die Herstellung von Kunststoffwerkstoffen (Lindner et al. 2020, S. 16) ist der Weg zu einem 100%igen Rezyklateinsatz noch weit. Deshalb ist die Erhöhung der Recyclingquote im Hinblick auf die Vermeidung von Primärmaterial und damit dem Ausstoß von Treibhausgasen von großer Relevanz. Dies wird vom Gesetzgeber durch sukzessiv steigende Recyclingquoten gefordert. Besonders im Hinblick auf die Änderung der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Europäisches Parlament und Rat 14.06.2018) und der Überarbeitung des VerpackG müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, um die festgelegten Quoten zu erreichen. Auch der Erlass des Brennstoffemissionshandelsgesetzes macht es notwendig, CO2-Emissionen zu reduzieren, um dadurch die Kosten durch die steigende Bepreisung von CO2 möglichst gering zu halten (Deutscher Bundestag 15.06.2020). Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen neue Methoden zur Aufbereitung und Sortierung von Kunststoffabfällen genutzt werden.

Abbildung 2 gesamtes Einsparpotential von CO2 Äquivalenten pro Jahr in Deutschland

 

Die Ursachen der momentan noch sehr niedrigen Quoten im Kunststoffrecycling liegen vor allem in der aufwändigen Sortierung von Kunststoffabfällen sowie der schlechten Qualitäten beim Input der Anlagen. Unterschiedliche Zusammensetzungen von Kunststoffen, schlecht trennbare Multilayer-Verpackungen und andere Verbundwerkstoffe lassen sich in vielen Fällen nach ihrem Gebrauch nicht verwerten. Denn lediglich sortenreine Kunststoffe können einem erneuten Recycling zugeführt werden. Kleinste Verunreinigungen verringern die Qualität der Kunststoffe und machen sie für die weitere Verarbeitung schlechter einsetzbar. Eine Umfrage der Umfrage der European Plastics Converters ergab, dass 60 Prozent der europäischen Kunststoffverarbeiter weder mit der Qualität noch mit der allgemeinen Liefersituation der vorhandenen Rezyklate zufrieden sind. (Abts 2020) Es ist also entscheidend, industrieweite Normen für die Herstellung einheitlicher Kunststoffsorten festzulegen und die Entwicklung neuer Technologien für die Sortierung von Kunststoffen voranzutreiben und zu fördern. Ein gutes Beispiel im Bereich der Kunststoffverpackungen, ist die Tracer-basierte-Sortierung des Technologieunternehmens Polysecure GmbH, Freiburg. Dabei werden Markierungen, sogenannte fluoreszierende Marker, auf den Kunststoff beispielsweise auf das Etikett aufgedruckt oder in den Kunststoff eingebracht. Diese werden durch Infrarotstrahlung angeregt und emittieren Licht im sichtbaren Bereich. Das emittierte Licht, kann von Kameras registriert und dann ausgewertet werden. Durch Kombination unterschiedlicher Marker, lassen sich verschiedene Codierungen festlegen, die dann stellvertretend für unterschiedliche Kunststoffkategorien stehen können. Der Vorteil ist, dass die Detektion unabhängig von der Farbe der Verpackung, der eingesetzten Kunststoffsorte, sowie dem Deformationsgrad und der Verunreinigung der Verpackung gelingt. Zusammen mit dem richtigen Produktdesign geht man davon aus, die Recyclingquote auf bis zu 80 Prozent erhöhen zu können. (Thomé-Kozmiensky und Goldmann 2020)

Mithilfe solcher Lösungen könnten Kunststoffe stärker in einen Recyclingkreislauf eingebracht werden. Infolgedessen könnte die Nutzung fossiler Rohstoffe Öl und Gas und der Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen reduziert werden. Gleichzeitig würde die Abhängigkeit thermischer Verwertungsverfahren verringert und der Weg hin zu einer wirklichen Kreislaufwirtschaft geebnet.

 

Literaturverzeichnis

Abts, Georg (2020): Kunststoffwissen für Einsteiger: Hanser Verlag München.

Deutsche Energie-Agentur GmbH: Kunststoff-Industrie – Blickpunkt Energie- und Rohstoffverbrauch. Status quo und Perspektivisch. Online verfügbar unter https://www.co2-leuchttuerme-industrie.de/branchen/branchensteckbrief-kunststoff-industrie/, zuletzt geprüft am 25.05.2021.

Deutscher Bundestag (15.06.2020): Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes. 19/19929. Online verfügbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/19/199/1919929.pdf, zuletzt geprüft am 20.06.2021.

Environmental Protection Agency USA (2020): Waste Reduction Model (WARM). Online verfügbar unter https://www.epa.gov/warm/versions-waste-reduction-model-warm#15, zuletzt aktualisiert am 2020, zuletzt geprüft am 23 04 2021.

Europäisches Parlament und Rat (14.06.2018): Änderung der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle. Richtlinie (EU) 2018/852. Online verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32018L0852#document1, zuletzt geprüft am 30.06.2021.

Franklin Associates: Life cycle impacts for postconsumer recycled resins: PET, HDPE, and PP.

Heinrich-Böll-Stiftung; BUND (Hg.) (2020): Plastikatlas. Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff. Online verfügbar unter https://www.boell.de/de/2019/05/14/plastikatlas?dimension1=ds_plastikatlas, zuletzt aktualisiert am 10.2020, zuletzt geprüft am 24 06 2021.

Hillman, Karl; Damgaard, Anders; Eriksson, Ola; Jonsson, Daniel; Fluck, Lena: Climate Benefits of Material Recycling – Inventory of Average Greenhouse Gas Emissions for Denmark, Norway and Sweden. Nordic Council of Ministe.

Lindner, Christoph; Schmitt, Jan; Hein, Julia (2020): Kurzfassung der Conversio Studie – Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2019. Hg. v. GmbH, Conversio Market & Strategy, zuletzt aktualisiert am 08.2020, zuletzt geprüft am 05 12 2021.

Mendes Campolina, Juliana; São Leandro Sigrist, Carolina; Faulstich de Paiva, Jane Maria; Oliveira Nunes, Andréa; Aparecida da Silva Moris, Virgínia: A study on the environmental aspects of WEEE plastic recycling. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017.

The Ocean Cleanup Technologies B.V.: theoceancleanup.com. Online verfügbar unter https://theoceancleanup.com/sources/, zuletzt geprüft am 24 06 2021.

Thomé-Kozmiensky, Karl J.; Goldmann, Daniel (2020): Recycling und Rohstoffe. Neuruppin: TK-Verlag (13).

Turner, David A.; Williams, Ian D.; Kemp, Simon (2015): Greenhouse gas emission factors for recycling of source-segregated waste materials. In: Resources, Conservation and Recycling (Volume 105), S. 186–197.

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