Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg

Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg

– warum die Maßnahmen des Konjunkturpakets nicht für eine Verkehrswende ausreichen – Teil 2

 

Bringt das Konjunkturpaket den erhofften „Schwung“ für die Verkehrswende und werden dadurch diejenigen Verkehrsträger gefördert, auf die sich die Verkehrswende stützt? Das gemeinnützige Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene zeigt sich zuversichtlich: Das Paket sei „ein wichtiger Beitrag, um der klimafreundliche[n] Schiene durch die Krise zu helfen und sie für die Zukunft zu stärken“, so Geschäftsführer Dirk Flege.

Doch kritische Stimmen aus Politik, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie aus der Wissenschaft sehen in der Verteilung der Fördergelder eine verpasste Chance in Sachen Verkehrswende. So beanstanden das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie, eines der international führenden Institute für Nachhaltigkeitsforschung, sowie der Verkehrsclub Deutschland e. V. NRW (VCD NRW), dass mit Hilfe des Maßnahmenpakets der Bundesregierung zwar Einnahmeausfälle im öffentlichen Verkehr kompensiert werden können; darüber hinaus würde es jedoch an der Förderung einer umfassenden Wende zu einer nachhaltigen Mobilität mangeln. Während das Paket insgesamt über sieben Milliarden Euro an Investitionen für den Kfz-Verkehr vorsieht, würden verträglichere und preiswertere Alternativen, wie der Fuß- und Radverkehr, aber auch Konzepte der geteilten Mobilität nicht adressiert – von grundsätzlichen Anreizen zur Verkehrsverlagerung oder gar zur Verkehrsvermeidung ganz zu schweigen. Hinzu kommt, dass laut Konjunkturpaket zwar Lkw-Flotten modernisiert werden sollen; der Schienengüterverkehr wird jedoch gar nicht erwähnt. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), bemängelt die Förderung von Hybrid-Antrieben, ohne dass nachgewiesen werden müsse, dass diese den größeren Teil der Strecken elektrisch fahren. Er nennt diese Subventionen eine „Kaufprämie für Verbrenner durch die Hintertür“. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst kritisiert, dass die finanziellen Hilfen für die Bahn nicht an klare Auflagen geknüpft sind, etwa die Auslandsaktivitäten des Bahnkonzerns deutlich zu verringern. Für kritikwürdig hält er auch die gesamte Struktur des Konjunkturpakets: Es sei eher eine „teure Kiste mit bunt zusammengewürfelten Maßnahmen, die kaum eine schlüssige Gesamtstrategie erkennen lassen“. Dies gilt sicherlich auch für den Verkehrsbereich. Dabei hatten Verkehrsexperten vor der Verabschiedung des Konjunkturpakets umfassende Investitionsvorschläge zur Förderung einer Verkehrswende vorgelegt, und sie hatten dabei – anders als die Bundesregierung – unter anderem die genannten Kritikpunkte berücksichtigt.

So veröffentlichte der VCD im April dieses Jahres Vorschläge für ein nachhaltiges Konjunkturprogramm im Verkehrsbereich. Danach sollte bei den anstehenden Investitionen die Stärkung des öffentlichen Personen- und Güterverkehrs sowie des Radverkehrs Priorität haben. Zudem müssten Konjunkturhilfen für die Autoindustrie und Staatsbeteiligungen an Fluggesellschaften an ökologische Kriterien gebunden werden. Für die Steigerung des elektrifizierten Anteils am öffentlichen Verkehr schlägt der Verkehrsclub ein Förderprogramm für Elektro- und Oberleitungsbusse sowie für Stadtbahnen vor. Zudem müssten Bund und Länder für mehr Stellenzuwachs in den Verkehrsabteilungen sorgen, beispielsweise im Bereich der Planung von Verkehrsinfrastrukturen. Auch die Denkfabriken Agora Energiewende und Agora Verkehrswende fordern in ihrem „Vorschlag für ein zielgerichtetes 100-Milliarden-Wachstums- und Investitionsprogramm“ von Ende Mai 2020, die Kaufprämie für Plug-In-Hybride zu halbieren, wobei die erste Hälfte beim Kauf ausgezahlt wird und die zweite Hälfte erst dann, wenn nach der Auswertung des Bordcomputers die überwiegend elektrische Nutzung des Fahrzeugs nachgewiesen wurde. Der VCD hingegen schlägt – statt einer Prämie im Automobilsektor – ein „Startgeld für grüne Mobilität“ vor, welches in sämtlichen Formen der nachhaltigen Mobilität verwendet werden kann, beispielsweise für den Kauf einer BahnCard oder eines ÖPNV-Abos, eines Lastenrades oder für Car- und Bike-Sharing-Leistungen. Ebenso kann das Startgeld als Zuschuss zur Anschaffung eines E-Autos dienen.

Für die Gestaltung eines nachhaltigen Konjunkturpakets, das wirklich der Verkehrswende dienen soll, bedarf es also mehr als Investitionen von mehreren Milliarden Euro, die nicht einmal zweckgebunden sind. Auch in Bezug auf den Schienenpakt, der am 30. Juni 2020 von Bundesverkehrsminister Scheuer und Vertretern der Bahnbranche unterzeichnet wurde, betonen Insider, dass vor allem ein Management nötig sei, „das mutig ist und bereit zu Veränderungen, sowie ein professioneller Aufsichtsrat, der endlich kontrolliert, was mit dem Staatsgeld im Unternehmen geschieht.“ Die Bundesregierung muss entschlossener handeln, längst ausgediente, klimaschädliche Verkehrskonzepte dürfen nicht länger verfolgt werden; es dürfen nicht weiterhin mehr Straßen gebaut und erweitert werden als Schienen-Verbindungen, so wie es in den vergangen 25 Jahren der Fall war. Auch muss sich die Regierung zu mehr Güterverkehr auf der Schiene bekennen; es kann nicht sein, dass die bundeseigene DB AG mit ihrer Logistiktochter DB Schenker seit Jahren mehrere Millionen Euro in Logistikzentren mit Lkw-Terminals investiert, jedoch keines davon einen Gleisanschluss hat bzw. diesen nutzt. Die Bundesregierung muss endlich das Bekenntnis zu einer umfassenden Verkehrswende und den Willen zur Umsetzung von entsprechend zielstrebigen und konkreten Maßnahmen mit einem festgelegten Zeithorizont erkennen lassen. Ein Konjunkturpaket, das dazu beiträgt, die Klimaziele der nächsten Dekaden zu verfehlen, sollte nicht in dieser Form umgesetzt werden. Vielmehr muss jetzt verstärkt darauf geachtet werden, dass die Art des Wirtschaftens von heute mit dem Leben der Generationen von morgen zu vereinbaren ist, denn für eine grundlegende Wende im Verkehr, wie auch in anderen Bereichen, bleibt nicht mehr viel Zeit.

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