Grüner Wasserstoff – Hoffnungsträger der Energiewende?

Grüner Wasserstoff – Hoffnungsträger der Energiewende?

„Grüner Wasserstoff ist das Erdöl von morgen“, verkündete Bundesforschungsministerin Anja Karliczek Anfang dieses Jahres. Doch wie viel Realität steckt in diesem Satz? Unter welchen Bedingungen ist der Wasserstoff tatsächlich grün? Ist die Wasserstoff-Technologie das „Wundermittel“ auf dem Weg zur Klimaneutralität in Deutschland?

Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas; ein Kilogramm davon enthält so viel Energie wie knapp drei Kilogramm Benzin. Wasserstoff ist also, wie Benzin, ein Energieträger. Das bedeutet: Für die Herstellung von Wasserstoff, muss zunächst Energie aufgewendet werden, zum Beispiel in Form von Wärme oder Strom. Je nach Art der Produktion wird dem erzeugten Wasserstoff dann eine Farbkennzeichnung zugeordnet. Grauer Wasserstoff beispielsweise wird durch die Umwandlung von Erdgas unter Einwirkung von Wärme hergestellt. Dabei entsteht als Nebenprodukt Kohlendioxid (CO2), welches als Treibhausgas in die Atmosphäre entweicht. Wird das entstandene CO2 jedoch abgeschieden und direkt verwertet oder gespeichert, spricht man von blauem Wasserstoff. Eine Speicherung ist etwa unterirdisch mit Hilfe der sogenannten CCS-Technik (Carbon Capture Storage) möglich. Dadurch kann der blaue Wasserstoff bilanziell als CO2-neutral betrachtet werden. Ein weiteres Herstellungsverfahren ist die Elektrolyse, bei der Wasser unter Einwirkung von elektrischem Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Stammt der Strom aus erneuerbaren Energiequellen, gilt der Prozess als CO2-frei und der hergestellte Wasserstoff wird als grün kategorisiert. Der gespeicherte Wasserstoff kann dann besonders in solchen Wirtschaftsbranchen eingesetzt werden, die sich nur schwer direkt mit Strom versorgen lassen oder bei denen der Einsatz von Batterien nicht möglich ist. Dazu zählen insbesondere die Luft- und Seefahrt und der Schwerlastverkehr, aber auch verschiedene Prozesse in der Chemie- und Stahlindustrie.

Um den Einsatz von Wasserstoff-Technologien zu fördern, hatte die Bundesregierung bis Ende 2019 eine Nationale Wasserstoff-Strategie angekündigt. Bislang wurden jedoch nur verschiedene Arbeitsentwürfe vorgelegt, eine endgültige Verabschiedung im Kabinett wurde mehrmals verschoben. Während man sich zwar über den allgemeinen Grundsatz einig ist, dass „CO2-freier Wasserstoff jetzt zu einem wichtigen Baustein der globalen Energiewende“ werden kann, streiten die beteiligten Ministerien untereinander über den konkreten Weg. So setzen das Forschungs- und das Umweltministerium auf grünen Wasserstoff, der auf der Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird, wohingegen das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ebenso wie viele Industrievertreter, auch solchen Wasserstoff fördern wollen, bei dessen Herstellung CO2 entsteht. „Ich glaube“, so Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi, „dass wir alle Farben des Wasserstoffs brauchen. Auch Grauschattierungen sind für den Übergang erlaubt.“ Bundesforschungsministerin Karliczek sieht dies jedoch kritisch. Sie meint, mit blauem Wasserstoff werde „das Problem nur verschoben“ und: „Unser Ziel muss grüner Wasserstoff sein, sonst machen wir uns bei der Energiewende was vor“.
Um jedoch einen Großteil der angestrebten Wasserstoff-Mengen durch grünen Wasserstoff zu decken, wird enorm viel Strom aus regenerativen Energien benötigt. Die Bundesregierung verkündet daher in ihrem Entwurf, die Erzeugungskapazitäten für Strom aus erneuerbaren Energien konsequent auszubauen und sieht dabei vor allem in der Offshore-Windenergie großes Potenzial. Zwar beschlossen der Bund zusammen mit den Küstenländern und Übertragungsnetzbetreibern Mitte Mai 2020 den Ausbau der Offshore-Windenergie zu beschleunigen, aber ob ein massiver Ausbau der Wind- und Sonnenenergie tatsächlich im notwendigen Umfang erfolgen wird, bleibt angesichts der bisherigen Entwicklung in Sachen regenerative Energien fraglich. Denn derzeit sorgt die Bundesregierung nicht einmal für die Hälfte des Zuwachses von Solar- und Windenergieanlagen, die allein für den Kohleausstieg nötig wären. Da die Produktion von grünem Wasserstoff jedoch energieaufwändig und deutlich ineffizienter ist als die direkte Nutzung von Ökostrom, fordern Umwelt- und Klimaschutzverbände, die Herstellung von Wasserstoff an strikte Nachhaltigkeitskriterien zu knüpfen und auf wenige Anwendungen zu beschränken, in denen eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist.
Grüner Wasserstoff ist wohl weder das neue Erdöl des 21. Jahrhunderts noch der „Hoffnungsträger der Energiewende“. Aber grüner Wasserstoff kann einen zusätzlichen Anreiz für einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien liefern, und er sollte nur unter strengen ökologischen Auflagen mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Daher sind die im Zuge der Corona-Krise neu aufgelegten umfangreichen Konjunkturprogramme unbedingt an eine Wiederbelebung der Erneuerbaren-Energiewirtschaft zu knüpfen. Denn rückwärtsgerichtete Programme bedeuten, dass eine Wirtschaftsweise gefördert wird, die weder ökologisch nachhaltig noch sozial gerecht ist. Nach der Verabschiedung des milliardenschweren Konjunkturprogramms am 3. Juni darf man gespannt sein, welche Bedeutung der Wasserstoff-Strategie beigemessen wird. Diskutieren Sie gerne mit uns über grünen, grauen und blauen Wasserstoff!

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