23 Nov Datenbank für besorgniserregende Stoffe – Aufwand und Nutzen
Quelle: pixabay.com
Die Europäische Chemikalienbehörde (ECHA) mit Sitz in Helsinki plant eine neue Datenbank einzurichten für „besorgniserregende Stoffe“. Diese Stoffe sind solche, die schlecht abbaubar, deshalb besonders langlebig und „bioakkumulierbar“ sind. Das heißt, solche Stoffe können sich beispielweise im Fettgewebe von Mensch und Tier anreichern und verschiedene Krankheiten verursachen. Die Datenbank soll bereits bis 2020 eingerichtet werden. Sie soll sich zum einen an Recyclingunternehmen richten und zum anderen an Endverbraucher. Das Ziel ist zwar richtig, eine viel größere Transparenz in Stoffströme zu bringen. Auch für die Entsorgungswirtschaft ist es hilfreich zu wissen, was verarbeitet wird. Die Frage ist derzeit allerdings, ob eine vollständige Transparenz überhaupt gewährleistet werden kann. Besorgniserregende Stoffe sind heute über eine spezielle „Kandidatenliste“ der REACH-Verordnung definiert.
Eine Auskunfts- oder Deklarationspflicht über derartige besorgniserregende Stoffe gilt schon heute, sobald die Konzentration des jeweiligen Stoffes im Fertigprodukt 0,1 Massenprozent (pro Einzelerzeugnis ) überschreitet. Sie gilt für die meisten Gegenstände des täglichen Gebrauchs, z.B. Haushaltswaren, Textilien, Schuhe, Sportartikel, Möbel, Heimwerkerbedarf, Elektro-/Elektronikgeräte, Spielzeug, Fahrzeuge oder Verpackungen. Sie gilt nicht in Bereichen, die speziellen Regelungen unterliegen. Dazu gehören z.B. flüssige oder pulverförmige Produkte (wie Lacke oder Farben), Medizinprodukte, Arzneimittel, Lebensmittel, Kosmetika, Wasch- und Reinigungsmittel, Futtermittel, Pflanzenschutzmittel und Biozide. Werden chemische Stoffe also zu komplexen Endprodukten verarbeitet (z. B. ein Farbstoff in einem Kunststofffertigerzeugnis, Flammhemmer in einem Dämmstoff), müssen innerhalb der Lieferkette Informationen zu den enthaltenen „besonders besorgniserregenden Stoffen“ zur sicheren Handhabung weitergegeben werden. Handelsunternehmen müssen diese Informationen auf der Grundlage der REACH-Verordnung auf Anfrage den Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Verfügung stellen. Eine Antwort muss innerhalb von 45 Tagen erfolgen. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren bis zu 2.000 Stoffe als besonders besorgniserregend gelten werden. In der Kunststoffindustrie beispielsweise sind einige Stoffe aufgrund nachgewiesener oder vermuteter Schädlichkeit für Menschen und Umwelt umstritten und in der Zwischenzeit durch REACh auf die Liste gesetzt mit dem Ziel, sie nach einem gewissen Zeitraum zu ersetzen. Dazu gehören Bisphenol A, manche Flammschutzhemmer (Hexabromcyclododecan, Polybromierte Diphenylether etc.), Perfluoroctansulfonat (PFOS), Phthalate als Weichmacher, sowie manche Schwermetallverbindungen.
Diese Informationspflicht stellt die gesamte Industrie heute vor eine große Herausforderung, denn nur wenn vom Rohstoff über alle Verarbeitungsschritte bis zum fertigen Produkt alle Informationen vollständig vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass eine korrekte „Deklaration“ erfolgt und Aussagen zum Gefahrenpotenzial möglich sind. Manche Unternehmen (wie Flugzeugindustrie, Automobilindustrie) haben Tausende von Zulieferern, die diese Informationspflicht erfüllen müssen. Ob letztendlich ein Endverbraucher tatsächlich Auskunft über diese neue Datenbank sucht, muss abgewartet werden. Ob ein Recycler in der Praxis die Zeit aufbringt, beispielsweise bei der Verwertung von Elektroaltgeräten, alle Daten zu sammeln, die sich für tausende verschiedener Modelle ergeben, darf bezweifelt werden. Fakt ist aber, dass der Druck auf die Hersteller, für eine Substitution der besorgniserregenden Stoffe zu sorgen, zunehmen wird und dass andererseits auch verschiedene Recyclingverfahren in Gefahr sind, weil „Recyclingrohstoffe“ mit besorgniserregenden Stoffen sicher weniger Absatz garantieren. Aus chemisch-toxikologischer Sicht wäre angebracht, das Risikopotenzial für Mensch und Umwelt einzuschätzen und nicht das „Kind mit dem Bade ausschütten“. Denn wir haben in Europa neben einem Schadstoffproblem auch ein Rohstoffproblem, denn der dann stattfindende Rohstoffverlust durch endgültige Ausschleusung aus dem Wirtschaftskreislauf dürfte immens sein.
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