29 Okt Wer über Mikroplastik redet, darf den Mit-Verursacher Verkehr nicht verschweigen
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Achten Sie beim Kauf von Kosmetika darauf, ob das Produkt Mikroplastik enthält? Wenn ja, gehören Sie vermutlich zu den mehr als 80 Prozent der Deutschen, die keine Mikropartikel in Duschgels oder Zahnpasta haben wollen.
Doch was viele nicht wissen: das Mikroplastik aus Kosmetikartikeln verursacht laut einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Institutes für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) lediglich 19 Gramm Mikroplastik-Emissionen pro Person und Jahr – damit liegen Kosmetika nur auf Platz 17 der größten Mikroplastik-Emittenten in Deutschland. Auf Platz eins liegt, mit mehr als der 52-fachen Menge (für PKW), der Reifenabrieb: pro Person und Jahr werden alleine in Deutschland von PKW-Reifen fast 1.000 Gramm Mikroplastik in die Umwelt freigesetzt. Ein Reifen verliert in seinem im Durchschnitt 50.000 Kilometer langen – beziehungsweise vier Jahre dauernden – Leben zwischen 1 und 1,5 Kilogramm an Masse. Auf das Jahr gerechnet entspricht das allein in Deutschland einer Belastung von 46.000 bis 69.000 Tonnen Mikroplastik erzeugt durch Reifenabrieb – allein von PKW. Damit macht der Abrieb von Reifen über 30 Prozent der Gesamtmenge der Emissionen des primären Mikroplastiks aus.
Was geschieht mit den abgeriebenen Reifenteilchen? Sie reichern sich im Boden an oder gelangen durch Wind und Regen in Flüsse, Seen oder Meere. Über Kläranlagen können die Kunststoffteilchen zwar zum Teil zurückgehalten werden. In den Gewässern werden die winzigen Partikel von den Lebewesen aufgenommen und können so akkumuliert auch in den Menschen gelangen. In einer soeben veröffentlichten Pilotstudie haben österreichische Wissenschaftler erstmals Plastikpartikel in menschlichen Stuhlproben nachgewiesen.
Um die Gefahr für Mensch und Umwelt zu reduzieren und die Entstehung und Ausbreitung von Mikroplastik durch Reifenabrieb als Hauptverursacher möglichst zu vermeiden, wurden inzwischen verschiedene neue Techniken und Materialien entwickelt. Dazu gehören etwa Filtersysteme für Straßenabflüsse, die die Partikel zurückhalten sowie neue Materialien, welche die Lebensdauer von Reifen erhöhen oder Reifen gar biologisch abbaubar machen sollen. Außerdem wurden Unterboden-Feinstaubfilter für Fahrzeuge entwickelt, welche die entstehenden Abriebartikel aufnehmen und gleichzeitig aus der eingesaugten Umgebungsluft Feinstaub entfernen.
Neben solchen verbesserten Techniken an Reifen oder Fahrzeug ließe sich der Abrieb auch durch eine optimierte Verkehrsplanung reduzieren; dazu gehört etwa, für einen möglichst fließenden Verkehr zu sorgen, da durch häufiges Anfahren und Bremsen, wie etwa bei „Stop-and-go“-Verkehr, die Gesamtmenge der Abriebprodukte auf das Zehnfache ansteigen kann. Weniger rasant fahren und starke Bremsmanöver vermeiden, für den Wochenend-Ausflug das Auto stehen lassen, mit der Bahn fahren, Fahrgemeinschaften bilden – jeder Einzelne kann durch ein anderes Mobilitätsverhalten sicherlich dazu beitragen, die verkehrsbedingte Freisetzung von Mikroplastik zu verringern.
Doch Verhaltensänderungen auf individueller Ebene werden nicht ausreichen, das Problem von Mikroplastik durch Reifenabrieb in den Griff zu bekommen. Aus Umwelt- und Klimaschutzgründen ist der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zu fördern und dem Gütertransport auf der Schiene Vorrang gegenüber der Straße zu geben. Daher wäre es dringend notwendig, in der öffentlichen Debatte das Mikroplastik-Problem mit verkehrspolitischen Fragen zu verknüpfen. Auch um Druck auf die Verantwortlichen in Politik und Industrie auszuüben, endlich eine umfassende Verkehrswende in Deutschland einzuleiten.
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